Man O´War - der amerikanische
Galopper des Jahrhunderts
Die US-amerikanische Fachpresse hat ihn zum Galopper
des Jahrhunderts gekürt: den 1917 geborenen Man O´War.
Da in Kürze beim Turfkönig der deutsche Galopper des Jahrhunderts
gewählt werden soll, wird an dieser Stelle schon einmal der höchst
offizielle Würdenträger "von über dem Teich"
gewürdigt. Silvia Wächter, die auch den Großteil der
Porträts der deutschen Kandidaten schreibt, stellt ihn vor:
Im Sommer 1999 las ich der Sport-Welt, daß Amerika
Man O'War zum Pferd des Jahrhunderts gekürt habe. Ein Hengst, 1917
geboren, erhält den Vorzug vor einem Secretariat, Kelso, einem
Northern Dancer, Citation, War Admiral ....!? Wenn das kein Grund ist,
diesen Hengst näher zu beleuchten. Hier der Versuch, die Geschichten
und Legenden um Man O' War zu erzählen.
Laut Kalender sollte im Bluegrass-Country
langsam der Frühling Einzug halten, aber es war eine kalte, feuchte,
dunkle Winternacht, als am 29. März 1917 Mahubah kurz vor Mitternacht
auf dem Nursery Stud von August Belmont einem Hengstfohlen das Leben
schenkte. Früh am nächsten Morgen wurde auf der Seite 939
im Gestütsbuch folgender Eintrag gemacht: "29. März 1917,
Mahubah fohlte ein kastanienfarbenen Hengst von Fair Play, Stern, schmaler
Streifen nach rechts vom Stern runter bis zur Nasenmitte. Höhe
42, Umfang 33." Man O'War schien als Fohlen nur aus Beinen zu bestehen,
und obwohl er mit seinem kastanienfarbenen Fell gut aussah, deutete
nichts auf seine große Zukunft hin...
August Belmont junior, Spross einer
der aristokatischen Rennfamilien Belmonts (Notiz: Belmont Park und die
Belmont Stakes - schufen den Jerome Park in New York, welcher den Namen
seines Vaters trägt), weilte zu dieser Zeit in New York. Belmont
- normalerweise immer ganz von den Belangen des Gestüts, vor allen
Dingen zur Abfohlzeit, in Anspruch genommen - war von der Armee der
Vereinigten Staaten in kriegswichtige Arbeiten eingebunden worden. Mittlerweile
in den Sechzigern, war er zu alt, um aktiv in der Infanterie zu dienen,
und bekleidete den Rang eines Majors, der das Training und die Transportsicherung
der Militärpferde nach Übersee zu organisieren hatte. Frau
Belmont war so stolz auf ihren Mann, daß der erste Name des Mahubah-Fohlens
My Man O'War lautete.
Als Züchter mochte Belmont das
Risiko und war in seiner Zeit manchmal recht unkonventionell. Auch im
Falle von Man O'War, die Eltern hatte er beide gezogen und unter seinen
Farben erfolgreich laufen lassen, machte er "heißes"
Blut. Fair Play stammte von dem "verrückten" Hastings,
aber Belmont hatte das Gefühl, daß Fair Play gute Nachkommen
bringen könnte.
Niemals zuvor hatte Major Belmont seine
Nachzucht veräußert, aber da er plante, mit Fortschritt des
Krieges seine Aktivitäten zu verstärken, entschloss er sich
schweren Herzens, 21 seiner Jährlinge zu verkaufen - sechs Jährlingsstuten
behielt er für den späteren Einsatz in der Zucht.
In der Zwischenzeit, einige hundert
Kilometer entfernt, auf der der Glen-Riddle Farm in Pennsylvania, trainierte
Louis Feustel für den Besitzer Samuell D. Riddle. Feustel hatte
Jahre zuvor für das Nursery Stud gearbeitet und wußte um
die Qualität der belmontschen Zucht. Er versuchte Riddle davon
zu überzeugen, die Belmont-Jährlinge komplett zu kaufen. Besonders
mochte Feustel drei Jährlinge, darunter auch Man O'War. Aber Riddle
lehnte ab.
In Ermangelung eines fairen Angebotes
für alle Jährlinge als "Paket" beschloss Major Belmont,
seine Jährlinge auf der Saratoga-Auktion zu versteigern. Anderthalb
Monate später, am 17. August 1918, war Auktionstermin. Ein erfolgreicher
Bieter war Samuell Riddle, der zwei der von Feustel geschätzten
Jährlingen kaufte. Als der Jährling Man O'War in dem Verkaufsring
präsentiert wurde, wollte Riddle kein Gebot abgeben. Erst als seine
Frau ihn mit den Worten "Come on Sam, setz Dich. Ich werde diesen
Hengst für Louie kaufen, weil er ihn am meisten mag!" 'anstachelte',
bequemte er sich. Riddle erhielt den Zuschlag für 5000 Dollar.
Ein Gebot mit Perspektive, der Durchschnittpreis aller verkauften Jährlinge
lag bei 1.107 Dollar, sechs Jährlingen gingen für mehr als
5000 Dollar aus dem Ring. Der Höchspreiis lag 1918 bei 15600 Dollar
für einen Hengst namens Switch (bekannt auf der Rennbahn wurde
Switch aber als Golden Broom).
Samuell Riddle ahnte nicht, daß
er ein Pferd kaufte, daß später mal wie ein geölter
Blitz laufen würde. Auf der Glen Riddle-Farm begann für Man
O'War der Ernst des Lebens. Der Hengst war kein rebellisches Pferd,
aber beim Aufsatteln mußte man sich anfänglich schon ein
paar Tricks einfallen lassen. Einfach Sattel auflegen und los, stieg
Man O'War hoch und schoß aus dem Stall. Sattel auflegen, Gurt
ein wenig anziehen, eine Runde führen, Gurt ein wenig mehr anziehen,
eine Runde führen, Gurt ..... Man O'War gewöhnte sich mit
der Zeit ein und arbeitete gut. Die Stallburschen nannten ihn anfänglich
"Red". Selbst sein Appetit entwickelte sich zu seinen Gunsten,
obwohl sein lebenslanger Pfleger Will Harbut immer aufpassen mußte,
daß der Hengst nicht schlang und dadurch seinen Magen in Unordnung
brachte. Die Zeit verging, und als Man O'War höher als 16 Hands
war, tauften die Stallburschen ihn in "Big Red" um. Seine
früherer Langbeinigkeit hatte sich in einen großen Vorteil
verwandelt, er entwickelte einen sehr langen Schritt. Es gibt nur wenige
Pferde mit solchen langen, gestreckten schönen Beinen wie Man O'War
sie hatte Viele Anzeichen deuteten auf eine vielversprechende Laufbahn
hin und in den Kreisen des Galopprennsportes sprach man von Riddels
hoffnungsvollem Hengst.
Feustel trainierte den zweijährigen
Hengst im Frühjahr 1919 in Havre de Grace und in Pimlico, er baute
ihn sehr behutsam und sehr umsichtig auf, sein Debut sollte Man O'War
erst Mitte des Jahres geben. Kurz vor seinem ersten offiziellen Start
gab es ein Proberennen in der Morgenarbeit gegen Din Care oder Dina
Care, aber was den Ausgang dieses Rennen anbelangt, wird es nun wird
es nebulös. Je nachdem, welche Quelle herangezogen wird, schlug
Din(a) Care Man O'War mit einem Abstand von ½ bis zu 5 Längen.
Auch ist es nicht ergründbar, ob Man O'Wars Umgebung nicht mit
dem wahren Leistungsvermögen von Big Red rausrücken wollte.
Schließlich kiebitzten viele Besucher der Rennbahn schon morgens
bei den Trainingseinheiten.
Bei seinem ersten Start am 6. Juni
1919 gab es für Man O'War 3-5. In dem Maiden-Rennen in Belmont
Park - gerade Bahn - lief er die 1000 Meter in 0:59, raste wie ein Durchgänger
und schlug das nächstschnellste Pferd glatt mit 6 Längen.
Das war das erste Mal, das Man O'War namentlich in einem Rennprogramm
erwähnt wurde. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, was für
ein Pferd man da hatte siegen sehen - aber das würde sich bald
ändern.
Drei Tage danach siegte Man O'War wieder.
Die Rennstrecke war feucht und aufgeweicht, Regenwasser stand in Lachen
auf dem Grund, aber Man O'Wars geschmeidig-fließende Gangart blieb
sich gleich. Er siegte auch überlegen in den nächsten vier
Rennen - darunter eins mit schwerster Konkurrenz. Die Rennbahnbesucher
sprachen nur noch von Man O'War. "Sieh Dir seine Gangart an!"
sagten sie, "Er ist mit Leib und Seele dabei!"
Dann kam der 16. August 1919, das Sanford
Memorial. Das Rennen wurde ausnahmsweise von Charles Pettingham gestartet
- der legendäre Starter seiner Zeit Mars Cassidy war ausgefallen.
Der Start war ausgesprochen schlecht für Man O'War. Viele sagen
- es gibt hier wieder mehrere Versionen - daß Man O'War mit seinem
Reiter Johnny Loftus falsch gestanden hätte. Andere behaupten widerrum,
daß der Hengst nur ein wenig seitwärts gestanden hätte,
als Pettingham das Feld abließ. Während des Rennens wurde
Man O'War von Johnny Loftus - ein Genie seiner Zeit - innen an den Rails
mitten im Pulk gehalten. Als Loftus den Hengst dann endlich nach außen
dirigieren konnte, war es zu spät, Man O'War flog heran, holte
enorm auf, aber es reichte nicht. Upset mit Willi Knapp im Sattel schluß
Big Red mit einer ½ Länge.
Die Fans waren enttäuscht, aber
sie tadelten ihren Liebling nicht - zehn Tage später fertigte Man
O'War Upset mit mehreren Längen ab und die Welt war der Fans war
wieder in Ordnung. Außerdem geisterte das Gerücht, daß
Loftus und Knapp gemeinschaftlich eine dicke Wette auf den Sieg von
Upset laufen gehabt hätten, die Quoten wären lohnenswert gewesen
(Man O'War 1-2, Golden Broom 2-1, Upset 7-1). Riddle hat auf diese Gerüchte
nichts gegeben, denn Loftus ritt den Hengst auch in den nächsten
drei Rennen. Am Ende der Zweijährigen-Saison hatte Man O'War 10
Rennen bestritten und 9 gewonnen.
Die folgende Saison 1920 brachte die
aufregendsten Rennen Amerikas. Man O'Wars überlegenen Siege hatten
dazu beigetragen, daß der Rennsport sich wieder belebte. Durch
den Krieg war das Interesse natürlich erlahmt und die Menschen
hatten weder Geld und Gelegenheit gehabt. Man O'War war das populärste
Pferd des ganzen Landes. Er siegte, siegte und siegte. Weil jeder nur
noch auf Man O'War setzen wollte, wurde das Wetten uninteressant. Außerdem
hielten die anderen Besitzer ihre Pferde von den Rennen zurück.
Sie mochten ihre Pferde nicht ständig gegen einen unschlagbaren
Gegner verlieren sehen. Im ersten Rennen 1920 gingen noch 8 Pferde gegen
Man O'War an den Start, danach nie mehr als zwei, drei.
Man O'War lief zahlreiche Matches,
in einem solchen schlug er den gewiß nicht schlechten ersten Triple-Crown-Sieger
Amerikas, Sir Barton. Man O'War nahm Sir Barton in Kenilworth Park über
1 ¼ Meile volle 6 Sekunden ab und donnerte 7 Längen vor
ihm durchs Ziel. Unter diesen Matches war das Rennen gegen den schwarzen
John P. Grier das vielleicht aufregendste. John P. Grier, ein Pferd
mit unglaublichem Stehvermögen, hatte ähnliche Zeiten gelaufen
wie Man O'War und schien ein ernsthafter Konkurrent zu sein. Manch Besucher
wettete "um", als er John P. Grier sah, vielleicht war das
das Pferd, das Man O'War endlich einmal besiegen könnte. Auf der
ersten Meile schaffte John P. Grier es tatsächlich, Man O'Wars
scharfes Tempo mitzugehen, schob sich Zentimeter um Zentimer auf die
gleiche Höhe, Kopf an Kopf schossen die Kontrahenten über
die Bahn. Langsam aber stetig schob sich der schwarze Kopf von John
P. Grier nach vorne. Die Zuschauer gerieten außer sich. Jetzt
wurde es Man O'Wars Reiter zu bunt, er berührte den Hengst leicht
mit der Gerte und Man O'Wars Galoppsprünge wurden noch weitausgreifender,
noch schneller, er schoß dem Gegner davon und gewann leicht mit
zwei Längen.
Er war in dieser Saison immer noch
ungeschlagen, er wurde in dieser Saison auch nie geschlagen. 11 Starts
- 11 Siege. Er gewann auch die Belmont und die Preakness Stakes. Hatte
zwar eine Nennung für das Kentucky Derby, trat da aber nicht an.
Auch hier gibt es zwei Versionen, die einen sagen, Riddle hätte
die Bedeutung des Kentucky Derbys nicht ernst genommen, die "richtigen"
Rennen wären im Osten. Andere behaupten, Riddle wäre das Kentucky
Derby zu früh im Jahr über die Distanz.
Man O'War so 1920 dominierend wie kein
anderer Sportler, niemand hat einem Sport je wieder seinen Stempel so
aufdrücken können. Spät in der Saison erlitt Big Red
eine Verletztung an der Sehne und Samuell Riddle holte ihn zurück
und stellte ihn als Deckhengst auf. Er wurde mit Kaufangeboten überhäuft.
Das höchste Angebot belief sich auf 1 Millionen Dollar - eine unerhörte
Summe in jener Zeit. Zu dem Höchstbietenden sagte Riddle: "Gehen
Sie nach Frankreich und bringen mir das Grabmal Napoleons. Dann gehen
Sie nach England und kaufen die Juwelen der Krone. Dann nach Indien
und kaufen das Tadsch Mahal - dann sage ich Ihnen den Preis für
Man O'War." 35 Jahre gingen ins Land, bevor ein Vollblut für
diese Summe verkauft wurde.
In den 23 Jahren im Gestüt war
Man O'War mehr als erfolgreich, wurde Vater von 64 Stakes-Siegern, einschließlich
des Triple-Crown-Siegers und Pferd des Jahres War Admiral. Seine Töchter
wurden unbezahlbare Zuchtperlen, ihre Nachkommen gewannen 124 Stakes.
Samuell Riddle verlangte für Man O'Wars Dienste exakt 5000 Dollar
- die gleiche Summe, die er seinerzeit für den Hengst bezahlt hatte.
Von 1921 bis drei Monate bevor er 1947 starb, war es interessierten
Menschen gestattet, Man O'War zu besuchen. Auch hier verschiedene Versionen
- es sollen Man O'War zwischen 1,5 Millionen und mehr als 3 Millionen
Fans besucht haben. Sie kamen aus allen Teilen der Welt, um für
einen Moment die Legende zu sehen.
Sein größter Fan war Will
Harbut, sein Pfleger, der ihm nie von der Seite wich. Er liebte Man
O'War abgöttisch und bewunderte ihn grenzenlos, der Hengst war
sein ein und alles. Vielleicht hat diese tiefe Zuneigung auf Gegenseitigkeit
beruht, denn als Will Harbut starb, legte sich zwei Wochen später
- am 1.11.1947 - Man O'War nieder, um nicht mehr aufzustehen.
Die Beerdigung Man O'Wars glich einem
Ritual. Mehr als 2000 Menschen kamen zu seinem Begräbnis. Er wurde
auf der Koppel beerdigt, auf der er die letzten Jahre gelebt hatte,
auf seinem Grab wurde eine hohe Bronzestatue errichtet. Samuell Riddle
wollte das Gedenken seines Pferdes bewahren und damit tat er recht.
Man O'War schrieb in den 16 Monaten
zwischen 1919 und 1920 die Rekord-Bücher um:
- Er stand dreimal bei den Buchmachern 1:100.
- Er gewann die Belmont Stakes mit 20 Längen Vorsprung, die
Lawrence Realization mit 100 Längen.
- Er schlug die besten Pferde seiner Zeit.
- Er brach alle Rekorde, die bis dahin in Amerika Bestand hatten,
seine Rekorde hielten lange Zeit an, der Rekord über 1 ½
Meilen wurde 17 Jahre lang nicht unterboten.
- Er verbesserte Bahnrekorde nicht um ein paar Zehntel Sekunden, Man
O'War vernichtete sie.
- Er siegte leicht auf jeder Bahn, Boden fest oder schwer.
- Er siegte auf Distanzen zwischen 1000 und 2500 Metern.
- Er gewann auf geraden Bahnen, Links- und Rechtsbahnen.
- Er gewann mit 130 Pfund fünfmal als Zweijähriger.
- Er gab extrem viel Gewicht weg, als Dreijähriger gewann er
mit 131 Pfund die Miller-Stakes, mit 135 Pfund die Stuyvesant- und
mit 138 Pfund die Potomac-Stakes. In einem Rennen trug das zweiplatzierte
Pferd 82 Pfund weniger als Man O'War.
- Er gab als Dreijähriger einheitlich Gewichtszugeständnisse
auch an ältere Pferde und er schlug sie.
- Er beendete die Diskussion vieler Fachleute, welches das beste
Pferd des jungen Jahrhunderts sei - Colin oder Sysonbon.
- Er ging als größter Verdiener seiner Zeit in die Zucht.
- Er war der erste Deckhengst, dessen Nachkommen über 3 Millionen
Dollar einliefen.
Ich kann verstehen, daß Man O'War für die Amerikaner das
Pferd des Jahrhunderts ist.
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