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"Ein
Biest, das keinen Hering vom Teller zieht"
Die Geschichte von Aschera
Im August ´98 entschlossen wir uns, unserer reitsportbegeisterten
Tochter Judith ein eigenes Pferd zu kaufen, zumal wir die Möglichkeiten
der Pferdehaltung direkt am Hause haben. Wir schauten uns bewaffnet
mit den Tips und Ratschlägen der Pferdekenner auf dem Pferdemarkt
um und waren überwältigt von dem riesigen Angebot an Pferden,
das über uns hereinbrach.
Wir suchten eine liebe, brave und schöne Stute, eben ein richtiges
Anfängerpferd mit einer Standard- Dressurausbildung, das Judith
auch im Reitunterricht reiten könnte.
Wir waren blutige Anfänger und kannten uns mit Pferden nicht
aus, doch entwickelten wir gleich einen Hang zu Vollblutpferden, da
die Warmblüter oftmals etwas trottelig wirkten und wir uns ein
Pferd der gehobenen Kategorien dieser Rassen auch nicht leisten konnten.
So kamen wir im September ´98 zum Gestüt Aaltal in Ostbevern,
ein sehr schönes Gestüt, das u.a. ausrangierte Galopper zu
Freizeitenpferden umschult und schauten uns Aschera, eine sechsjährige
Englische Vollblutstute, an. Aschera wirkte sehr zutraulich und gelassen,
sah jedoch ziemlich abgemagert aus. Doch was wir als "abgemagert"
bezeichneten, wird im Rennsport als "steht im Training" definiert
(was wir zum Zeitpunkt des Kaufes nicht wußten).
Judith hatte Aschera gleich ins Herz geschlossen und sie vor Ort mehrmals
problemlos geritten. Da Aschera auch uns sehr gut gefiel, warfen wir
kurzerhand alle guten Vorsätze des Pferdekauf über Bord und
sind seit dem 3. Oktober stolze Besitzer dieser Pferdedame.
Zunächst schien alles in Ordnung zu sein. Aschera lebte sich
rasch bei uns ein. Doch aufgrund der Wetterverhältnisse und der
Tatsache, daß wir noch keinen Pferdeanhänger hatten, konnte
Judith ca. zwei Monate nicht reiten.
Im Dezember fuhren wir dann als stolze Pferdebesitzer mit Pferd und
Wagen erstmals zum nahegelegenen Reitstall. Es dauerte eine Dreiviertelstunde,
bis Aschera endlich verladen war, denn sie hatte unwahrscheinliche Angst,
auf den Hänger zu gehen. Wir wissen bis heute nicht warum. Als
wir dann an der Halle ankamen, erlitt unser Pferd eine Art "Nervenzusammenbruch".
Sie zitterte am ganzen Körper, der Schweiß tropfte regelgerecht
an ihr herunter und wir konnten sie kaum halten. Als wir sie dann zur
Beruhigung in der Halle allein laufen ließen, erstarrte sie förmlich
vor Angst. Einige unbeteiligte Reiter schüttelten mit dem Kopf
und fragten uns: "Warum reiten Sie Ihr Pferd denn nur so runter?!!...."
Aschera war in der Zwischenzeit völlig fertig und wir auch....
Das ging noch einige Male so und allmählich rieten uns die Reitlehrer,
unseren "Fehlkauf" endlich "loszuwerden."
Nur der alte Pferdepfleger der Reitanlage hatte Spaß an der,
wie er sagte, "Englischen Lady". "Endlich mal ein richtiges
Pferd und kein alter Klepper", pflegte er des öfteren zu sagen.
Es schien, daß Aschera auf alles Neue völlig überzogen
reagierte. Sobald sie in ihre gewohnte Umgebung zurückkehrte, war
sie ruhig und gelassen.
Aufgrund ihrer Papiere begannen wir daraufhin Nachforschungen über
sie anzustellen. Vom Kölner Direktorium für Vollblutzucht
erfuhren wir, daß Aschera drei-, vier- und fünfjährig
gelaufen war und in 7 Rennen startete, mit einer unwesentlichen Gewinnsumme
von 1 200 DM.
Ihr Züchter Jörg Freiherr von Buddenbrock muß sich
mehr von dem Fohlen versprochen haben, denn ihr Pedigree liest sich
wirklich gut: Highland Chieftain, Dschingis Khan, Northern Dancer, Zeddaan.
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?Stockmaß
!Die Größe
eines Pferdes wird mit einer Latte (Stock) gemessen, die auf den Widerrist
des Pferdes aufgelegt wird. Vollblüter haben ein durchschnittliches Stockmaß
von 160 - 170 cm.
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Wir hatten das Glück, eine ihrer Trainerinnen ausfindig zu machen,
und sie konnte uns noch einiges von Aschera erzählen,
so zum Beispiel, daß sie ein liebes, ordentliches Pferdchen
sei, das gut "losgeht", dem es aber aufgrund der
geringen Größe ( Stockmaß
152 cm) an Endspeed fehlte.
Sie wäre auf einem Hühnerhof in einem kleinen Stall groß
geworden, ohne Kontakt zu Artgenossen und ohne den für heranwachsende
Rennpferde so wichtigen, großzügigen Auslauf. "So zieht
man kein Rennpferd groß, und es hat mit ihr einfach keinen Zweck
gehabt", sagte sie. Jemand anderes erzählte uns, Aschera wäre
ein Biest, mit schwachem Nervenkostüm, das keinen Hering vom Teller
zieht. Insgesamt muß Aschera wohl durch drei Trainingsställe
gewandert sein, bis sie nach vier Besitzerwechseln bei uns gelandet
ist.
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