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Spinning World
Spurwechsel und Wechselkurse
Wie wichtig ist eine international einheitliche Rennordnung?

Bei der diesjährigen Großen Woche in Baden-Baden war zweifellos Tiger Hill das herausragende Pferd. Weit größere Prominenz haben aber zwei andere erlangt, die in sportlich weniger relevanten Prüfungen als Erster über die Ziellinie gingen: Averti und Taufan´s Melody. Deren Namen sind bei englischen und australischen Fans geradezu Reizwörter geworden. Das eigentliche Thema bei den englischen und australischen Fans sind dabei aber nicht deren Rennleistungen, sondern "der Fall Averti" und "der Fall Taufan´s Melody", wobei es jeweils um Rennsport-Regeln geht, die in Deutschland, England und Australien verschieden gehandhabt werden.

Die Details: Im "Fall Averti" ging es um eine Disqualifikation, weil Averti als Sieger der Goldenen Peitsche (Gr.III) durch seinen Spurwechsel im Endkampf den drittplazierten Auenadler um bessere Chancen gebracht haben könnte.
Ob Auenadler ohne die Behinderung hätte gewinnen können, spielt für die Rennleitung in Deutschland keine Rolle, erheblich ist allein, daß er eventuell eine bessere Plazierung hätte erreichen können, wenn ihm nicht beim Vorstoß der Weg versperrt worden wäre. In England wäre er nicht als Sieger disqualifiziert und auf den dritten Platz (hinter Auenadler) gesetzt worden mit dem Argument, Auenadler hätte ihn ohnehin nicht geschlagen.

Im "Fall Taufan´s Melody" um eine Startberechtigung im Caulfield Cup (Gr.I). Wenige Tage vor dem Rennen war festgestellt worden, daß seine Gewinnsumme nicht hoch genug war, um ihn für das Rennen zu qualifizieren. Da es sich um einen Fehler der Rennsportbehörde handelte, die einen anderen Wechselkurs zugrunde gelegt hatte als zu dem Zeitpunkt, als sie die Zusage für die Startmöglichkeit gegeben hatte, ließ die Behörde das Pferd dennoch starten, ein australisches Pferd - ein Mitfavorit - wurde zum Ersatzpferd erklärt. (Mehr über den Rummel um Taufan´s Melody - vergnügliche Lektüre)

Die Vorgehensweise beider Rennleitungen, der Iffezheimer und der des Victoria Amateur Race Club, sorgt für Aufruhr bei denjenigen, die darin die Bevorzugung bzw. Benachteiligung von einheimischen Pferden sahen. Die Anhänger von Averti waren der Meinung, er sei "nur weil er ein Engländer ist" disqualifiziert worden, die Fans von Our Unicorn, dem Ersatzpferd in Caulfield, sahen ihr Pferd "nur weil der Engländer läuft" nicht am Start.

De jure sind beide Entscheidungen nach den im jeweiligen Land geltenden Rennordnungen aber korrekt. Wie verschieden die Rennleitungen jedoch von Land zu Land entscheiden, zeigt Taufan´s Melody nochmals, und zwar bei seinem Sieg im erwähnten Rennen, bei dem er mehrere Gegner kraß behinderte: In Australien disqualifiziert man die Pferde nicht, sondern bestraft den Jockey (ein Monat Lizenzentzug), in Europa wäre der Sieger "rausgeflogen" und auf den sechsten Platz gesetzt worden. In Australien richtet man sich in diesem Falle nach den Interessen der Wetter, in Europa nach denen der Besitzer.

Um solche Szenen wie die Pfiffe am Iffezheimer Absattelring bei der Siegerehrung von Areion, der durch die Disqualifikation zum Gewinner der Goldenen Peitsche wurde, oder die Aufrufe australischer Wetter, den Caulfield Cup zu boykottieren, zu vermeiden, kann man an den gesunden Menschenverstand der Empörten appellieren, daß Regeln auch im Rennsport nun einmal Regeln sind und in jedem Land anders gehandhabt werden können.

In einer Zeit aber, da internationale Rennen wie der Japan Cup, der Breeder´s Cup oder der Dubai World Cup erheblich dazu beitragen, Galopprennen aus ihrem Dornröschenschlaf zu rütteln, in den sie - medientechnisch gesehen - gesunken sind, gehört es zum guten Ton, einheitliche Regeln für alle zu schaffen. Wie könnte sonst der Dubai World Cup dem von seinen Initiatoren gewünschten Anspruch entsprechen, das weltbeste Rennpferd zu küren, wie soll sonst eine Reihe von Wertungsläufen stattfinden wie die geplante World Racing Championship Series? 

Rennpferde reisen heute weiter denn je, um sich mit den Besten eines anderen Landes, eines anderen Kontinents zu messen. Bei den großen Aufwand, den das für Pferde, Trainer, Pfleger, Besitzer bedeutet, sollten die Beteiligten die Chance haben, genau zu wissen, was sie in dem anderen Land erwartet. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft wird schließlich auch nicht mal nach amerikanischen, mal nach französischen Regeln gepfiffen.

  Titelseite Kommentar: Galopprennen in der Presse  
© 1998 Turfkönig - the virtual gaucho - Maike Hanneck
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