Galopper des Jahrhunderts

ein Kandidat der Turfkönig-Wahl zum Galopper des Jahrhunderts

vorgestellt von Silvia Wächter

gez. 1939 v. Athanasius - Terra v. Aditi
Züchter: Gestüt Erlenhof
Besitzer: Gestüt Erlenhof
Trainer: Adrian von Borcke

Der Zweite Weltkrieg hatte Europa fest in seinem schrecklichen Würgegriff, doch lief der deutsche Galopprennsport 1942 noch relativ unbehindert weiter und hatte nach Schwarzgold eine weiteres Aushängeschild: Ticino! Der Hengst war nicht nur ein sehr schnelles Rennpferd und ein sehr guter Vererber - nein, quasi als Tüpfelchen auf dem „i“ war der charakterlich einwandfreie Rappe ein bestechend schöner Kerl.

Anfänglich wußte man auch bei ihm nicht so recht, was man da im Stall hatte - Schicksal vieler großen Pferde. Nach einem Sieg und einem vierten Platz als Zweijähriger entzündete sich das Vorderfußwurzelgelenk und er mußte punktiert werden. Saison gelaufen! Dreijährig kam er erstmals im Preis von Dahlwitz raus. Julius Rastenberger hatte von Adrian von Borcke „Tun Sie ihm nicht weh, er hat was gehabt“ mit auf den Weg bekommen. „Jule“ Rastenberger hielt sich an die Order und trotzdem lief Ticino hinter dem Favoriten Effendi gleich auf den zweiten Platz. Jules Kommentar: „Gutes Pferd, das Sie da haben!“

Ob es dann mit Ticino einen Rückschlag gab oder der Trainer einfach ein grandioses Versteckspiel initiierte, ist nicht überprüfbar. Denn beim Henckel-Rennen (324:10) und in der Union (268:10) landete der Hengst jeweils nur auf dem 5. Rang, mit seinen Siegen in diesen beiden Rennen avancierte Effendi zum großen Derbyfavoriten. Erst vier Tage (!) vor dem Deutschen Derby zeigte Ticino seine wahre Klasse und holte sich als überlegen gehendes Pferd das Nickel-Eintracht-Rennen. Da Otto Schmidt bereits für den anderen Erlenhofer Effendi im Derby verpflichtet war, engagierte von Borcke für Ticino Josef Göbl. Aber der hohe Favorit Effendi konnte gar nicht an den Start gebracht werden.

War 24 Stunden vorher die Welt noch in Ordnung und Effendi blendend aufgelegt, so brach sie am Donnerstagnacmittag vor dem Derby auseinander. Effendi wurde gestrichen! Die wildesten Gerüchte, „Vergiftung“, „Husten“, „Bruch“ machten die Runde. In der Tat hatte Effendi ursprünglich eine kleine, harmlose Verletzung, aber der Pfleger, der das Bein einreiben sollte, verwechselte die Flaschen und behandelte das Bein statt mit einem kühlenden Mittel mit einem gefährlichen Medikament. Effendi hatte ein dickes Bein. Aus und vorbei der Traum vom Derbysieg Effendis. Nun war der Derbymarkt wieder am rotieren. Alle hatten an Effendis Derbysieg „zementiert“ geglaubt, zu überlegen war er durch die Qualifikations-Rennen gelaufen, nun des Favoriten verlustig, herrschte allgemeine Ratlosigkeit. Am fixesten reagierte von Borcke und verpflichtete flugs am Freitag Otto Schmidt für Ticino, welcher plötzlich hustete! Verwirrung total.

Adrian von Borcke erinnerte sich wohl an seine Schulzeit und daß man bei Husten auch nicht gleich die Schule schwänzen durfte, auch zeigte Ticino keinerlei Anzeichen von Fieber und so ließ er ihn starten. Mit Hassan hatte Ticino seinen persönlichen Hasen im Rennen, der vom Start weg einen flotten Takt anschlug. Otto Schmidt legte sich mit Ticino gleich dahinter. Eingangs des Horner Bogens hatte Hassan seine Schuldigkeit getan und verdrückte sich in die hinteren Regionen, ziemlich früh war Ticino plötzlich in Front. Aber Otto Schmidt ritt den Hengst energisch und kraftvoll nach Hause und das Ding war drin! Jubel im Gestüt Erlenhof!

Aber in Abwesenheit von Effendi hatte man in die Klasse des neuen Derbysiegers noch kein Vertrauen. Ticino stand klar im Schatten von Effendi, und auch Ortwin schätzte man höher ein. Im Großen Preis von Wien, so nannte sich das Österreichische Derby damals, fünf Wochen später, kreuzte Ticino erneute die Klingen mit den beiden Kontrahenten und schlug Effendi und Ortwin mühelos mit 4 Längen in neuer Rekordzeit und stellte klar, wer Chef im Oberhaus ist.

Die weitere Karriere Ticinos war ein Triumphzug und das, obwohl er vierjährig nicht ganz auf dem Posten war. In seiner letzten Saison war er - nunmehr fünfjährig - auf dem Zenit seine Leistungsfähigkeit und gewann überlegen die Rennen, in denen er aufgeboten wurde, die letzten beiden Rennen im Herbst ohne Totobetrieb. Er trug sich dreimal in Folge als Sieger im Großen Preis von Berlin ein. Auch 1945 sollte Ticino noch an den Start gebracht werden, aber daraus wurde aufgrund des Krieges nichts.

Ticino gelangen bei 21 Starts 14 Siege und 4 Plätze. In der Zucht erwies sich Ticino als absoluter Volltreffer. In leider nur 10 Jahren Decktätigkeit errang er neun Championate! Vier seiner Nachkommen gewannen das Derby: der Weltenbummler Orsini, das „Denkmalpferd“ Niederländer, die Stute Lustige und der unvergessene Neckar, ebenfalls ein sehr guter Vererber. In England und Frankreich legte Bella Paola höchste Ehre mit ihren Siegen in den 1000 Guineas, Oaks, Champion Stakes, Grand Criterium und Prix Vermeille für ihren Vater ein.

1954 begannen Ticinos Hufe zu deformieren, die täglichen Ausritte mußten gestrichen werden. 1956 wurde Ticino unfruchtbar, weitere gesundheitliche Probleme kamen hinzu, der Hengst verfiel zusehends. Schweren Herzens entschloß man sich am 21. August 1957 Ticino von seinem Leiden zu erlösen. Sein Skelett wurde der Uni Gießen zur Verfügung gestellt, sein Herz soll auf einer Lichtung in Erlenhof begraben sein ...

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